Ältere Menschen auf dem Arbeitsmarkt

Das Themenheft "Situation älterer Menschen" gliedert sich in folgende Kapitel: Demographie, Beschäftigung, Mobilität, Arbeitslosigkeit und Armut sowie eine ausführliche qualitative Analyse zur Generationenfrage in den Beschäftigungspolitiken der Großregion.

Die zunehmende Wahrnehmung älterer Menschen als wertvolle Ressource auf dem Arbeitsmarkt stellt einen erheblichen Paradigmenwechsel in der Beschäftigungspolitik dar. Seit Mitte der 1970er Jahre wurden in den Ländern der Großregion Maßnahmen verfolgt, die Älteren ein früheres, sozialverträgliches Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ermöglichen sollten. Eine geringe Arbeitsmarktbeteiligung älterer Menschen stellte sich somit nicht unbedingt als Problem dar.

Inzwischen macht die demografische Entwicklung es allerdings notwendig, diese etablierten Denkgewohnheiten zu hinterfragen. Die geburtenstarken Jahrgänge, für die in den 1970er/1980er Jahren im Rahmen einer Politik für die Jugend Arbeitsplätze geschaffen wurden, gehören heute selbst zu den älteren Arbeitnehmern oder werden in den nächsten Jahren zu dieser Gruppe gehören und mittelfristig den Arbeitsmarkt verlassen. Damit verbunden sind Herausforderungen für die Fachkräftesicherung und die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Gleichzeitig wird sich auch die Zahl der über 65-jährigen und damit mittelfristig der Bedarf an Dienstleistungen etwa in Bereichen wie Gesundheit und Pflege erhöhen.

Seit Ende der 1990er Jahre gab es auf europäischer Ebene verstärkte Überlegungen zu einer gemeinsamen Strategie des „aktiven Alterns“. Den Mitgliedsländern wurden erhebliche Anstrengungen auferlegt, um die Erwerbsbeteiligung der Älteren zu erhöhen, und die vorher verbreitete „Kultur des Vorruhestandes“ verlor zunehmend ihre Legitimationsgrundlage.

Die wichtigste Umsetzungsmaßnahme in Deutschland, Frankreich und Belgien ist die sukzessive Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters. In Belgien und Frankreich wurden außerdem Erleichterungen für ältere Arbeitslose, die diese z. T. von der aktiven Arbeitssuche befreiten, zurückgenommen. Weiterhin wurden in mehreren Ländern die Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit neben dem Rentenbezug verbessert. In Frankreich und Belgien sind die Unternehmen dazu verpflichtet, Aktionspläne zur Förderung der Beschäftigung Älterer zu erstellen.

Gesetzliche Maßnahmen allein können nicht ausreichen, um ein „aktives Altern“ im positiven Sinne in der Praxis umzusetzen. Dazu sind auch tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der Arbeitswelt und der Abschied von liebgewonnenen Praktiken und Denkmustern erforderlich, und zwar bei allen Beteiligten.

In einer Situation, in der genügend junge Arbeitskräfte verfügbar waren und Ältere gerne früher den Arbeitsmarkt verließen, wenn dies durch entsprechende Sozialleistungen ermöglicht wurde, waren negative Altersstereotype weit verbreitet. Wie die Frauen wurden und werden auch die Älteren als eine Art „industrielle Reservearmee“ gesehen, derer sich die Unternehmen relativ problemlos entledigen können, wenn man sie nicht mehr braucht.

Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht wird die Gleichung höheres Lebensalter gleich geringere Leistungsfähigkeit in dieser Pauschalität allerdings in Frage gestellt. Mögliche Defizite können die älteren Arbeitnehmer häufig durch Stärken ausgleichen, die sie ihrem Alter und ihrer Erfahrung verdanken, wie hoher sprachlicher und sozialer Kompetenz, einer breiteren Allgemeinbildung etc. Auch Zuverlässigkeit, Entschlusskraft und Problemlösungskompetenz sowie Verantwortungsbewusstsein gelten als Stärken der Älteren.

Trotz dieser Erkenntnisse erweist sich noch an allzu vielen Arbeitsplätzen das negative Bild des älteren Mitarbeiters als selbsterfüllende Prophezeiung: wo die Erfahrung Älterer wenig geschätzt wird, wo sie tendenziell als Störfaktor und Hemmschuh in Modernisierungsprozessen gesehen werden, wo man ihnen kaum Weiterbildungen anbietet, wo man auf die langfristige Gesunderhaltung der Mitarbeiter und auf sinnvolle Entlastungen für Ältere wenig achtet, sind eine geringe Motivation, fortgesetzte gesundheitliche Probleme und eine zunehmende Veraltung der Qualifikationen erwartbare Folgen.

Wenn ältere Arbeitskräfte diese negativen Repräsentationen internalisieren, ist „aktives Altern“ zum Scheitern verurteilt. Es braucht daher eine echte „kulturelle Revolution“ in der Arbeitswelt, damit die Stärken der Älteren besser genutzt werden könnten. Erste Pilotprojekte etwa in Frankreich und Deutschland zielen darauf ab, die Kompetenzen und Erfahrungen der Älteren zu valorisieren und den Kompetenztransfer zwischen den Generationen zu verbessern.

In allen Teilregionen ist die Beschäftigungsquote in der Altersklasse 55-64 in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Gleichzeitig entwickelte sich die Arbeitslosigkeit der Älteren sehr unterschiedlich: während im Saarland und in Rheinland-Pfalz die Zahl der Arbeitssuchenden über 50 im Zeitraum 2007-2017 praktisch stabil geblieben ist, ist ihre Zahl in der Wallonie und in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens stark und in Luxemburg und in Lothringen geradezu explosionsartig angestiegen.

Zudem ist eine hohe Beschäftigungsquote der Älteren an und für sich noch kein Beleg für eine altersgerechte Arbeitswelt, denn hinter steigenden Beschäftigungszahlen können sich sehr wohl altersunangemessene Schwerarbeit oder prekäre bzw. schlecht entlohnte Beschäftigungsverhältnisse ebenso wie unfreiwillige Teilzeit und damit Unterbeschäftigung verbergen.

Schließlich haben rein altersorientierte Herangehensweisen an die Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsförderung auch ihre Grenzen. Die Generation der heute 55-64-jährigen weist sehr heterogene Lebensverläufe und Lebenssituationen auf. In einem Zeitalter der Flexibilisierung der Beschäftigung, der atypischen Beschäftigungsverhältnisse und der fragmentierten Berufslaufbahnen lässt das Alter alleine immer weniger Schlüsse auf die aktuelle berufliche Situation zu.

Die arbeitsplatzbezogene gesundheitliche Leistungsfähigkeit etwa hängt nicht nur vom Alter ab, sondern auch von den Arbeitsbedingungen in der Vergangenheit. Anstatt das Alter als Ursache für gesundheitliche Probleme oder Qualifikations- oder Motivationsdefizite zu sehen, sollte man es vielmehr als Indikator für Versäumnisse betrachten, die oft schon in früheren Lebensaltern verantwortet wurden. Insofern können Maßnahmen zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz oder zur Weiterbildung nicht erst bei den ab 55-jährigen einsetzen, vielmehr werden bereits in der Jugend und im mittleren Lebensalter die Grundlagen für ein gutes Altern am Arbeitsplatz gelegt.

Insofern wird eine demografiesensible Beschäftigungspolitik und Personalmanagementkultur nicht nur einzelne vermeintliche Problemkategorien („die Älteren“, „die Jugend“) ins Auge nehmen. Vielmehr wird es darum gehen, von Anfang an die Grundlagen zu legen, damit Gesundheit, Kompetenzniveau und Motivation der Beschäftigten in jeder Altersgruppe erhalten bleiben.

Diese Altersgruppe verteilt sich wie folgt auf die großregionale Teilregionen: 37% leben in Rheinland-Pfalz, knapp 30% in der Wallonie, 20% in Lothringen und 10% im Saarland. 4% der 55- bis 64-Jährigen der Großregion leben in Luxemburg.

Bis 2023 dürfte die Zahl der Personen zwischen 55 und 64 Jahren in der gesamten Großregion um 4%, also etwa 70.000 Menschen, ansteigen. Ab 2024 dürfte diese Bevölkerungsgruppe jedoch wieder zurückgehen, bis etwa Ende der 2030er Jahre, um anschließend wieder zuzunehmen.

Diese demografische Dynamik wird jedoch von Teilregion zu Teilregion unterschiedlich ausfallen. Luxemburg wird bis 2050 ein kontinuierliches jährliches Wachstum aufweisen und in diesem Zeitraum einen Anstieg um 69% (+50.000) verzeichnen. In der Wallonie wird die Entwicklung dieser Altersgruppe relativ stabil sein, während sie in den anderen Teilregionen der Großregion zurückgehen wird (Saarland: -33%; Lothringen: -15%; Rheinland-Pfalz: -23%; Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens: ‑12%).

In absoluten Zahlen dürfte der in der Großregion zwischen 2018 und 2050 verzeichnete Rückgang bei 200.000 Personen liegen.

Die Erwerbsquote dieser Gruppe beträgt 60,3% im Jahr 2017. Die Erwerbsquote älterer Menschen ist in Rheinland-Pfalz am höchsten (72,4%) und in Luxemburg am niedrigsten (40,7%).

Die Beschäftigungsquote ist ein Schlüsselindikator für die Analyse der Arbeitsmarktsituation und die Beschreibung des wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Kontexts auf europäischer Ebene. Während die Arbeitslosenquote seit langem die Grundlage für die Gestaltung der Beschäftigungspolitik ist, hat der Paradigmenwechsel in Europa und den Ländern der Großregion seit Ende der 1990er Jahre zu einer vertieften Betrachtung der Beschäftigungsdimension und dem Wunsch geführt, eine gemeinsame Strategie für aktives Altern zu finden. In diesem Zusammenhang erscheint es unerlässlich, die Beschäftigungsquote und ihre Entwicklung zu berücksichtigen. Im Jahr 2001 hatte der Europäische Rat deshalb festgelegt, dass bis 2010 eine Beschäftigungsquote älterer Menschen von 50% erreicht werden sollte. 2017 betrug die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen 57,6%.

Die größte Zahl der älteren Grenzgänger arbeitet in Luxemburg und pendelt aus Lothringen, Deutschland und Belgien ein (12.420 bzw. 12.260 bzw. 9.900 Personen).

Ein genauerer Vergleich mit der Gesamtzahl der Grenzgänger zeigt, dass einige Grenzgängerströme ein höheres Durchschnittsalter aufweisen als andere. So sind die nach Deutschland einpendelnden Grenzgängerströme von einem höheren Anteil an älteren Arbeitnehmern geprägt als die anderen Teilregionen. Von den 15.500 Lothringern, die ins Saarland einpendeln, sind 6.400 (und damit 41,5% der Gesamtzahl der Grenzgänger) 50 Jahre oder älter. Auch von den 5.660 wallonischen Grenzgängern, die in Deutschland arbeiten, zählen 2.400 zu den älteren Arbeitnehmern (42,4%). Der Grenzgängerstrom mit dem niedrigsten Anteil an Arbeitnehmern im Alter von 50 Jahren und älter ist der zwischen Lothringen (Wohnsitzregion) und Luxemburg (Arbeitsregion). Hier macht die Altersgruppe 50+ nur 14,1% der Gesamtzahl der Grenzgänger aus.

Dieser Anstieg wurde insbesondere durch die in Lothringen und Luxemburg beobachteten Steigerungen verursacht. Tatsächlich ist die Zahl der Arbeitslosen ab 50 Jahren in Lothringen von etwas mehr als 17.000 im Jahr 2007 auf 50.000 im Jahr 2017 gestiegen. Auf luxemburgischer Seite lag diese Zahl 2007 bei fast 2.000, verglichen mit etwas mehr als 4.700 im Jahr 2017. Wallonien und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens verzeichneten im Berichtszeitraum einen Anstieg von 30,6% bzw. 67,1%.

Dieser starke Anstieg lässt sich vor allem durch den allmählichen Eintritt der Baby-Boomer in den letzten Jahren in der Altersgruppe 50+ erklären. Darüber hinaus gab es lange Zeit in Frankreich und Belgien Ausnahmeregelungen für ältere Arbeitslose, mit denen sie z. T. Leistungen beziehen konnten, ohne sich arbeitssuchend zu melden und aktiv nach Arbeit zu suchen. Diese Ausnahmeregelungen wurden in den letzten Jahren verschärft oder sogar ganz aufgehoben.

So ist in Wallonien die Zahl der älteren Arbeitslosen weiter gestiegen, nachdem das Alter, in dem Arbeitslose eine Ausnahme von der Registrierung als Arbeitssuchende erhalten konnten, allmählich angehoben worden ist. In Frankreich wurde die Befreiung älterer Menschen von der aktiven Arbeitssuche am 1. Januar 2012 abgeschafft, was technisch zu einem Wechsel der Kategorie in der Statistik von Pôle emploi führte. Ältere Arbeitslose, die zuvor in die Kategorie D eingestuft wurden und daher nicht zur aktiven Arbeitssuche verpflichtet waren, wurden in die Kategorie A eingestuft, was die Zahl der Arbeitssuchenden erhöht. Während in Frankreich mehr als 400.000 Menschen von der Verpflichtung zur Arbeitssuche befreit waren, waren es nach Angabe von Pôle Emploi im Jahr 2017 nur noch 25.000. Darüber hinaus könnte die allmähliche Anhebung des gesetzlichen Rentenalters von 60 auf 62 Jahre zwischen dem 1. Juli 2011 und dem 1. Januar 2017 in Frankreich Auswirkungen auf das Phänomen eines Anstiegs der Zahl der arbeitslosen Erwerbspersonen unter den älteren Menschen gehabt haben.

Dieses Phänomen einer Zunahme der Zahl der Arbeitssuchenden unter den älteren Erwerbspersonen bestätigt sich in den deutschen Teilregionen nicht. Die zwischen 2007 und 2017 wachsende Zahl der 55- bis 64-Jährigen in Saarland und Rheinland-Pfalz profitierte im Berichtszeitraum deutlich von einem dynamischen deutschen Arbeitsmarkt. So ist die Zahl der Arbeitssuchenden in dieser Kategorie in den letzten zehn Jahren auffällig stabil geblieben (Saarland: -1%; Rheinland-Pfalz: +3%).

Unter den Ländern der Großregion hat Frankreich die niedrigsten Raten und liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt: 13,3% der Gesamtbevölkerung und 9,8% der 55- bis 64-Jährigen. In Luxemburg hingegen ist die Quote für die gesamte Bevölkerung am höchsten (18,7 %), während die Kategorie der älteren Menschen mit 15 % unter dem EU-Durchschnitt liegt. Belgier und Deutsche weisen beide die gleiche Armutsgefährdungsquote von 16% auf.

Während die Armutsgefährdungsquote der 55- bis 64-Jährigen in Frankreich, Belgien und Luxemburg niedriger ist als die der Gesamtbevölkerung, ist Deutschland das einzige Land in der Großregion, das das umgekehrte Phänomen aufweist. So beträgt der Anteil der von Armut bedrohten Personen im Alter von 55-64 Jahren 18,9% – die höchste Quote für die betreffende Kategorie in den Ländern der Großregion.