Grenzgänger aus Frankreich nach Wirtschaftssektoren

Im Saarland wohnen fast alle Grenzgänger in Frankreich. Die deutsche Teilregion ist für diese Arbeitnehmer besonders attraktiv, insbesondere die Industrie- und Gesundheitssektoren. 

Rückgang des französischen Einpendlerstroms

Strukturwandel der saarländischen Wirtschaft verstärkt Rückgang des französischen Einpendlerstroms

Die Rückgänge der geringqualifizierten Einpendler sowie die unterschiedlichen Entwicklungen zwischen atypischen und typischen Grenzgängern bzw. deren Differenzen in den Qualifikationsstrukturen lassen sich über den Strukturwandel der saarländischen Wirtschaft erklären. Die von der Montanindustrie stark geprägte Wirtschaftsstruktur an der Saar verändert sich hin zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft. Auch die lothringischen Einpendler spüren die Auswirkungen dieses Wandels. So kam es zu Arbeitsplatzverlusten im Bergbau, in der Stahlindustrie, in der metallverarbeitenden Industrie, in der keramischen Industrie etc.[1] Das führte zwischen 2012 und 2022 zu einem Minus der Grenzgängerbeschäftigung im Bergbau und in den Energie- und Wasserindustrien um 32,6 % (95 Personen; NACE B, D, E) und im verarbeitenden Gewerbe (NACE C) um 35,6 % bzw. 2.977 Personen.

Obwohl der Trend eher rückgängig läuft,  bleibt dennoch das verarbeitende Gewerbe Hauptarbeitgeber für die Einpendler: 2022 arbeitete etwa mehr als 38 % aller grenzüberschreitenden Arbeitskräfte in diesem Wirtschaftsabschnitt (gegen 44 % in 2012) – im Vergleich zu der saarländischen Gesamtbeschäftigung (22,5 %) ist die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes für die Grenzgänger deutlich höher. Es folgen die Branchen „Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“ ‘ (14,9 %) und  „Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“  (14,5 %). Dieser Bereich weist damit einen – im Vergleich zur Beschäftigung von Ansässigen – relativ hohen Anteil aus. Dies ist zum einem auf den hier erfassten Bereich der Leiharbeit zurückzuführen, zum anderen auf den Niedriglohnsektor. Hierzu zählt etwa der Reinigungsbereich, in dem viele Franzosen – und vor allem Französinnen – beschäftigt sind.

Betrachtet man die Grenzgänger deutscher und anderer Nationalität getrennt voneinander, ergeben sich für die typischen Grenzgänger die gleichen drei größten Branchen wie für die Grenzgänger insgesamt. Die atypischen Grenzgänger haben ein anders Profil: an erster Stelle steht zwar auch das Verarbeitende Gewerbe (aber nur mit einem Anteil von ca. 30 %) und an zweiter Stelle folgt ‚Handel und Reparatur von Kraftfahrzeugen‘ (16,7 %)., An dritter Stelle steht jedoch das Gesundheits- und Sozialwesen mit etwa mehr als 500 Beschäftigten, oder 13,1 %.

[1] Vgl. Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit: Weniger Einpendler aus Lothringen ins Saarland – langfristige und kurzfristige Entwicklungen dafür verantwortlich, Presseinformationen 03. Mai 2011, S. 3

 

Einpendler aus Frankreich nach Wirtschaftsabschnitten 2022

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Saarland und Einpendler aus Frankreich nach Wirtschaftsabschnitten (NACE Rev. 2) am 30.06.2022
* Zahlen können aus Datenschutzgründen nicht ausgewiesen werden.
Berechnungen: IBA·OIE | Quelle: BA

Französische Grenzgänger profitieren kaum vom Strukturwandel

Der wirtschaftliche Strukturwandel hin zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft lässt aber auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen – insbesondere für qualifizierte und hochqualifizierte Arbeitskräfte. Allerdings können die französischen Grenzgänger davon kaum profitieren. Im Wirtschaftsabschnitt ‚Finanz- und Versicherungsdienstleistungen‘ ging die Grenzgängerbeschäftigung zwischen 2012 und 2022 mit einem Minus von 39,7 % oder 163 Personen überdurchschnittlich zurück, und auch die Branche um ‚freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen‘ verzeichnet einen Rückgang an Einpendlern aus Frankreich (-4,3 %, entspricht nur -19 Personen). Insbesondere die französischen Arbeitskräfte sind Leidtragende des Strukturwandels, während die atypischen Grenzgänger weniger Probleme haben. Zurückführen lässt sich dies zum einen auf die unterschiedlichen Bildungssysteme und zum anderen auf die abnehmenden Sprachkompetenzen auf beiden Seiten der Grenze. Der Bereich Gesundheits- und Sozialwesen verzeichnet sich auch durch einen erwähnenswerten Rückgang (-181 Personen oder -17,1 %).

Eine starke Zunahme zeigte sich hingegen im Bereich Erziehung und Unterricht (+24 %) und erreicht 353 Grenzgänger. Dies lässt sich durch einen erhöhten Bedarf an pädagogischem Betreuungspersonal in Kindertagesstätten erklären, da seit dem 1. August 2013 für alle ein- bis dreijährigen Kinder in Deutschland ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer entsprechenden Einrichtung besteht. Der Anstieg geht überwiegend auf typische Grenzgänger (+36,5 % bzw. 66 Personen gegen -8,6 % bzw. 10 Personen bei den atypischen Grenzgängern) zurück, so dass in diesem Bereich inzwischen deutlich mehr französische als deutsche Einpendler beschäftigt sind. Hierbei dürfte auch der gestiegene Bedarf an französischen Muttersprachlern in saarländischen Kindergärten und Grundschulen im Rahmen der saarländischen „Frankreichstrategie“ eine Rolle spielen.

Rückgänge 2022 sind vor allem auf das Verarbeitende Gewerbe zurückzuführen

Mehr als die Hälfte des Rückgangs der Zahl französischer Grenzgänger zwischen 2021 und 2022 um 223 Personen ist auf die Veränderungen im verarbeitenden Gewerbe (-2,9 % sprich -159 Personen) zurückzuführen. Erwähnenswert sind auch die Bereiche „Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“ (-56 Personen oder -2,7 %) sowie „Verkehr und Lagerei“ (-36 Personen oder -5,0%).

Dennoch ist es zu beobachten, dass die Zahl der Grenzgänger aus Frankreich im Bereich „Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“ um 57 Personen zugenommen hat, d. h. +2,8 %.

Grenzgänger vor allem in der Automobilbranche und der Leiharbeit beschäftigt

Ein Blick in die detaillierte Statistik zeigt, dass die für grenzüberschreitenden Arbeitskräfte wichtigste Wirtschaftsabteilung mit 11,5 % die „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ bleibt, trotz eines Rückgangs um 7,3 % im Vergleich zum Vorjahr. An zweiter Stelle folgt die „Befristete Überlassung von Arbeitskräften“, 8,3 % aller Grenzgänger sind Leiharbeiter. Es folgen die Bereiche „Einzelhandel“ mit knapp 940 Grenzgänger; dann „Großhandel“ mit ca. 880 Grenzgänger aus Frankreich.

Grenzgänger aus Frankreich im Wirtschaftszweig „Leiharbeit“

Im Saarland beschäftigte Grenzgänger aus Frankreich im Wirtschaftszweig „Leiharbeit“ 2012-2022
Berechnungen: IBA·OIE | Quelle: BA

Industrielle Berufe bleiben Tätigkeitsschwerpunkte französischer Einpendler…

Die Betrachtung der grenzüberschreitenden Arbeitskräfte aus Frankreich nach Berufen zeigt, dass die Berufsgruppen „Maschinen- und Fahrzeugtechnik“ und „Metallerzeugung, -bearbeitung, Metallbau“ im Jahr 2022 die Tätigkeitsbereiche mit den höchsten Beschäftigungsanteilen (12,2 % bzw. 13,4 %) bildeten. Auch für die Gesamtbeschäftigung im Saarland sind diese industriellen Berufsgruppen wichtig, die Anteile fallen bezogen auf alle sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigten allerdings deutlich geringer aus (jeweils 6,2 und 7,0 %) als auf die Grenzgänger bezogen. Der drittgrößte Beschäftigungsschwerpunkt ist der Bereich „Verkehr und Logistik“ (8,1 %). Diese drei Tätigkeitsfelder weisen übrigens einen unterdurchschnittlichen Anteil an atypischen Grenzgängern aus. Dies gilt nicht für den viertgrößten Beschäftigungsschwerpunkt der Einpendler, „Unternehmensführung, -organisation“. 7,5 % aller Grenzgänger bzw. 1 043 Einpendler arbeiteten in dieser Berufsgruppe, von denen mehr als die Hälfte deutscher Nationalität waren. Weitere wichtige Tätigkeitsfelder für Grenzgänger waren im Jahr 2021 Berufe in den Bereichen „Reinigung“ (6,2 %) und „Verkauf“ (5,3 %). Innerhalb dieser zwei Kategorien weisen aber typische und atypische Grenzgänger sehr unterschiedlichen Anteile auf. Die atypischen Grenzgänger stellen nämlich einen deutlichen geringeren Anteil im Bereich „Reinigung“ als im „Verkauf“ (10 % gegen 32 %).

… trotz rückläufiger Tendenzen

Zwischen 2021 und 2022 hat die Zahl der Grenzgänger um 223 Personen oder 1,6 % abgenommen. Der größte absolute Rückgang verzeichnen die Kategorien „Führer von Fahrzeug- u. Transportgeräten“ und „Verkehr, Logistik“ (jeweils -59 und -39 Personen). Auch im Bereich „Werbung, Marketing, kaufmännische und redaktionelle. Medienberufe“ sank die Zahl der in Frankreich ansässigen Mitarbeiter um 28 Personen.

Geringfügig Beschäftigte mit französischer Nationalität im Saarland 2012-2022

Geringfügig Beschäftigte (Minijobber) mit französischer Nationalität im Saarland 2012-2022 (jeweils zum 30.06.)
Hinweis: Geringfügig Beschäftigte inklusive der im Nebenjob geringfügig Beschäftigten
Berechnungen: IBA·OIE | Quelle: BA

Minijobverhältnisse von Franzosen mit Arbeitsort Saarland seit 2000

Die Anzahl der Minijobber mit französischer Nationalität im Saarland ist seit 2000 relativ stabil bei rund 2.000 Personen, ist aber eine leichte Erhöhung zwischen 2013 und 2019 mit einem Maximum in 2018 (2.436 Personen). Dabei wird unterschieden zwischen den Minijobbern, die im Saarland arbeiten, aber außerhalb des Saarlandes wohnen, und denen, die auch ihren Wohnsitz im Saarland haben. Die erste Kategorie entsprich dem Konzept der Grenzgänger, ihre Anzahl beträgt 2022 nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 1.836 Personen. Die erste Gruppe besteht aus Franzosen, die im Saarland leben, ihre Anzahl liegt bei 247 Personen.

Neben Minijobs gibt es weitere Beschäftigungsverhältnisse, die nicht in der amtlichen Statistik abgebildet werden und über die keine Informationen über die Entwicklung des Grenzgänger-aufkommens von Lothringen ins Saarland vorliegen (Studierende, Praktikanten, Honorarkräfte, ehrenamtlich Tätige, Selbständige, Auszubildende/duale Studierende etc.). Dies sollte bei der Interpretation der Grenzgängerzahlen stets berücksichtigt werden.